Wenn Rosalie Visite macht

Demenz-Coach Heike Prange unterstützt Betroffene, Angehörige und Klinikpersonal

Gehen Sie gern ins Krankenhaus? Die wenigstens beantworten diese Frage wohl mit einem Ja. Krankenhausaufenthalte verbinden wir mit dem Geruch nach Desinfektionsmitteln, unangenehmen Untersuchungen, veränderten Tagesabläufen und sterilen Räumen. Kurzum ein Krankenhausaufenthalt ist für niemanden leicht, aber manchmal unumgänglich.

Fällt es dem „normalen“ Patienten also schon schwer, sich in den Krankenhausalltag einzufinden, so ist dies für Menschen mit einer Demenzerkrankung fast unmöglich. Das Klinikum Lippe hat deshalb Heike Prange zum Demenz-Coach weitergebildet. Sie hat mit Unterstützung ihrer Kollegen verschiedene Projekte gestartet, um den speziellen Bedürfnissen dieser Patientengruppe gerecht zu werden.

Niemand muss ins Krankenhaus, weil er dement ist. Doch circa 15 Prozent aller Patienten, die wegen Erkrankungen oder Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden, leiden heute unter einer Demenz; Tendenz steigend.

„Für demente Patienten ist der stationäre Aufenthalt eine große Belastung, denn plötzlich fehlt die Sicherheit des gewohnten Wohnumfeldes und gleich strukturierter Tagesabläufe“, weiß Heike Prange. Sie ist seit 37 Jahren Mitarbeiterin am Klinikum Lippe. Die gelernte Krankenschwester ist heute als freigestellte Praxisanleiterin für die Ausbildung der Krankenpflegeschüler zuständig, doch das Thema Demenz begleitet sie schon seit Jahren. „Mein Interesse an der Geriatrie und speziell der Demenz ist im Laufe meines Berufslebens stetig gewachsen. Da war es nur naheliegend, mit einer zweijährigen Weiterbildung den nächsten Schritt zu gehen“, berichtet die 56-Jährige. Sie hat sich als Demenz-Coach ausbilden lassen und möchte, „von Demenz betroffenen Menschen, ihren Angehörigen, aber auch den Kollegen helfen.“ Demente Patienten zeigen oft sogenanntes herausforderndes Verhalten. Als Fachfrau weiß sie, „dieses Verhalten tritt auf, wenn Menschen die Sprache fehlt. Es kommt zu körperlichen oder verbalen Aggressionen, Verweigerung und Unruhe. Das Sozialverhalten ist nicht mehr adäquat. Bei einem Patienten, der sich notwendige Infusionsschläuche ständig herauszieht, ist auch der Therapieerfolg gefährdet.“ Deshalb betont Heike Prange gegenüber ihren Kollegen immer wieder: „Wenn die Betroffenen in der ungewohnten Krankenhausumgebung gut geführt, unterstützt und versorgt werden, wird es auch auf der Station ruhiger und entspannter für alle.“

Ihre praktische Arbeit stützt sie auf vier Säulen:

Kollegiale Beratung

„Ich informiere, berate und schule meine Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit Demenzpatienten. Auf den Stationen gibt es beispielsweise Fallbesprechungen oder am Bildungszentrum entsprechende Seminare. Als Praxisanleiterin bringe ich das Thema auch direkt in die Krankenpflegeschule, damit bereits die Schüler für die speziellen Bedürfnisse dementer Patienten sensibilisiert werden.“

Projektstation

„Auf einer Modellstation wollen wir uns besonders der Delirprävention widmen, also der Vermeidung von Bewusstseinsbeeinträchtigungen, die eine starke Verwirrtheit oder sogar Wahnvorstellungen hervorrufen. Große Zimmernummern an den Türen oder Wandbilder mit Wiedererkennungswert können den Patienten die Orientierung erleichtern. Uhren an den Wänden oder Kalender mit großen Zahlen helfen bei der zeitlichen Orientierung. Zusätzlich haben wir auf der Intensivstation ja auch das VitalSky-System, eine Art Lichthimmel als Deckenkonstruktion über dem Patientenbett. Dort wird der Tag- und Nachtrhythmus nachgebildet. Es ist erwiesen, dass diese Art der Lichttherapie , helfen kann, ein Delir zu vermeiden.“

Ehrenamt

„Das Ehrenamt spielt im Krankenhaus ja zunehmend eine große Rolle. In der Behandlung von Demenzpatienten können ehrenamtliche Helfer unterstützen, indem sie sich mit den Betroffenen unterhalten, Karten spielen oder vorlesen. Sehr gut funktioniert das beispielsweise mit Biografie-Karten. Das sind laminierte Postkarten, die im Gespräch zur Erinnerung anregen. Ich habe auch schon einmal eine Handwerkskiste für einen Patienten zusammengestellt, der in seinem Berufsleben Handwerker war. Dort fand er Schleifpapier, Kronkorken oder Schraubenzieher. Auch die Haptik, also das Fühlen mit den Händen, regt die Erinnerung unserer Patienten enorm an. Im Vorfeld muss natürlich Biografie-Arbeit geleistet werden, also genau recherchiert werden, welche Dinge den dementen Patienten ansprechen könnten.“

Angehörigenarbeit

„Starke Angehörige sind unser Joker, denn wenn ich das Umfeld des Patienten stärke, kann es uns unterstützen. Die Angehörigen geben dem Patienten Halt und dem Fachpersonal wichtige Informationen über den Betroffenen. Ich beobachte oft, dass die Angehörigen selbst eine Auszeit brauchen, um im Anschluss wieder voll und ganz für den dementen Menschen da zu sein. Auch dafür haben wir natürlich ein offenes Ohr.“

Und was hat es nun mit dieser Rosalie auf sich?

Rosalie ist eine gehäkelte Eule, die das Personal manchmal zur Visite bei dementen Patienten begleitet. „Ältere Patienten und insbesondere Menschen mit einer Demenzerkrankung haben oft unruhige Hände. Das heißt die Hände suchen nach einer Beschäftigung. Ist diese gegeben, kehrt in den gesamten Körper wieder mehr Ruhe und auch Aufmerksamkeit gegenüber der Außenwelt ein“ weiß Heike Prange. Deshalb hat sie die erfolgreiche Idee einer anderen Klinik auch im Klinikum Detmold eingeführt. Die gehäkelte Eule Rosalie ist ein Geschenk an die dementen Patienten und oftmals auch ein Schlüssel, um die Kommunikation miteinander zu ermöglichen. „Eine Patientin war den Tränen nahe und kuschelte gleich mit Rosalie. In einem anderen Fall konnte unsere Physiotherapie die Mobilisation der Patientin mit Hilfe von Rosalie vereinfachen. Das funktioniert ähnlich wie bei einem Kleinkind mit einem Kuscheltier. Da wird der Arztbesuch auch einfacher, wenn zuerst Teddy untersucht wird“ berichtet Heike Prange. Sie ist stolz, dass Rosalie auch in Lippe gut angekommen ist.