Dr. Corinna Bryan leitet seit 1. April die Geburtshilfe am Klinikum Lippe
Seit 1. April 2021 leitet Dr. Corinna Bryan die Geburtshilfe am Klinikum Lippe. Sie übernimmt damit die Verantwortung für eine – mit über 2.000 Geburten – der größten Entbindungskliniken der Region. „Wir freuen uns, dass wir mit Frau Dr. Bryan eine langjährig erfahrene Geburtshelferin ans Klinikum Lippe holen konnten“, sagt Dr. Christine Fuchs, Medizinische Geschäftsführerin, über die Neubesetzung der attraktiven Stelle. Denn die Geburtshilfe ist durch die angeschlossene Kinderklinik und die dazugehörige Frühgeborenen-Intensivstation überregionaler Anlaufpunkt für Schwangerschaften, Geburten und Risikopatientinnen. Wir haben mit der neuen Chefärztin über ihre Rückkehr und ihre Pläne für die lippische, stationäre Geburtshilfe gesprochen.
Schön, dass Sie wieder in OWL angekommen sind. Warum haben Sie entschieden, zurück zu kommen?
Nachdem ich einige Jahre hier am Klinikum Lippe als Oberärztin und leitende Ärztin für die Geburtshilfe gearbeitet hatte, hat mich mein Weg 2010 ins Rheinland geführt. Ich war dort viele Jahre Chefärztin in St. Augustin am Kinderkrankenhaus. Leider wurde die dortige Geburtshilfe aus politischen Gründen geschlossen und nach einem Aufenthalt im mittleren Osten wurde ich angesprochen, ob ich nicht als Chefärztin für die Geburtshilfe an das Klinikum Lippe zurückkehren möchte. Das war so eine interessante Aufgabe, dass ich mich dann entschlossen habe, zurück zu kommen. Wir haben uns als Familie immer wohl gefühlt in Detmold und so hoffe ich auf einen guten Start zurück in den alten Gefilden.
Welche Aspekte reizen Sie, die Leitung der Geburtshilfe am Klinikum Lippe zu übernehmen?
Zusammenlegung der Geburtshilfen Lemgo und Detmold wirklich sehr gut entwickelt. Kernstück war damals auch der Bau der neuen Familienklinik mit einer sehr freundlichen Gestaltung der Räume. Auch die Zusammenführung zum Perinatalzentrum mit dem Team aus Lemgo hat der gesamten Situation gut getan. Das sehen wir ja auch an den Geburtenzahlen, die bei ungefähr 2000 liegen. Somit hat das Klinikum Lippe eine der größten Geburtshilfen hier im Land.
Ich fand die Aufgabe sehr reizvoll. Wir können hier in Lippe viele Frauen adäquat und sehr gut betreuen. Nach der Entbindung können wir das Neugeborene, auch wenn es ein Frühgeborenes oder Risikokind ist, wirklich super behandeln.
Welche Ziele haben Sie kurz- und mittelfristig für die lippische, stationäre Geburtshilfe?
Ich persönlich denke, dass sich in den nächsten Jahren in den Geburtshilfen – nicht nur hier am Klinikum Lippe sondern in ganz Deutschland – ein Wandel vollziehen wird. Einmal durch den Wandel der Position der Hebammen, die ja deutlich aufgewertet werden soll. Andererseits aber auch durch Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe mit den neuen Leitlinien.
Ich hoffe, dass wir weg kommen von der invasiven, operativen Geburtshilfe und uns mehr um den natürlichen Verlauf einer Geburt kümmern. Das bedeutet allerdings auch, dass wir viel Personal einsetzen müssen. Es ist allerdings schwierig, dies heutzutage zu realisieren, weil die Hebammen sehr geschätztes und auch rares Gut auf dem Arbeitsmarkt geworden sind. Aber eine Familienorientierte Geburtshilfe mit der Verantwortung eine möglichst natürliche Entbindung gewährleisten zu können, sehe ich als eines der wichtigsten Ziele an.
Welchen Stellenwert hat für Sie die Pränataldiagnostik in der Geburtshilfe?
Die Pränataldiagnostik hat in der modernen Geburtshilfe einen sehr großen Stellenwert. Ich habe bisher immer an großen Krankenhäusern gearbeitet, die darauf spezialisiert waren, Kinder mit angeborenen Fehlbildungen zu entbinden und die Frauen sicher durch die Schwangerschaft zu betreuen. In dem Rahmen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es für die Frauen, die in der Schwangerschaft Sorge um ihre Kinder haben, ganz wichtig ist, gut begleitet zu werden. Beratungsgespräche und ein Behandlungsplan zur Entbindung und für die Zeit nach der Geburt können hier helfen. Für die Eltern ist es immens wichtig, dass wir ehrlich mit ihnen umgehen und ihnen Perspektiven zeigen für ihr Kind. Die Pränataldiagnostik ist aus einer Geburtshilfe an einem Perinatalzentrum Level I nicht wegzudenken.
Qualitätsmanagement ist mehr als lästiger Papierkram. Von standardisierten Abläufen profitieren Patienten, Mitarbeiter und Unternehmen. Stimmen Sie zu oder widersprechen Sie dieser Aussage?
Schon in meiner früheren Tätigkeit hier am Klinikum Lippe als leitende Ärztin der Geburtshilfe habe ich gemeinsam mit der Leitung und den Hebammen sowie der Versicherung sehr viele Qualitätsstandards erarbeitet. Diese waren dann die Grundlage für die Zertifizierung des Perinatalzentrums am Klinikum Lippe. Schön ist, dass das Perinatalzentrum nun bereits zum dritten mal in Folge zertifiziert werden konnte. Aus meiner Sicht ist das Qualitätsmanagement eine Grundlage guter Geburtshilfe. Nur durch Standards können wir in den großen Teams für eine nachhaltige Qualität bürgen.
Ich habe gefühlt ein komplettes Jahr lang meine gesamte Freizeit für dieses Projekt investiert. Die Geschäftsführung des Klinikum Lippe hat zugestimmt, dass die Standards dann auch in St. Augustin übernommen werden konnten.
Letztlich ist aus dieser Zusammenstellung der Qualitätsstandards so ein komplexes Werk geworden, dass es für ganz viele Krankenhäuser in Deutschland beispielhaft wurde und auch heute noch als Buch im Thieme-Verlag verfügbar ist. Wichtig war mir dabei, dass wir eine Art „Kochbuch“ schreiben. Besonders habe ich mich über die Mitarbeit der Hebammen aus dem Klinikum Lippe als CoAutorinnenn gefreut, die wesentliche Kapitel dazu beigetragen haben. Es geht nicht primär um die wissenschaftlichen Aspekte, sondern um ganz praktische Anleitungen. Warum bekomme ich beispielsweise eine bestimmte Erkrankung während der Schwangerschaft? Welche Diagnostik sollte erfolgen? Wie sieht die Therapie aus? Hierbei werden die Empfehlungen nicht allgemein gehalten, sondern ganz konkret nach dem Motto: Bei der Erkrankung X erfolgt die Gabe des Medikamentes Y in der Dosierung von Z mg alle S Stunden für T Tage. Die Akzeptanz der Standards ist hoch, da wir möglichst alle beteiligten Professionen bei der Entwicklung bzw. Aktualisierung einbinden. Die Abläufe in der Diagnostik und Therapie, im Kreißsaal aber auch auf der Station werden einfacher. Insbesondere neuen Mitarbeiter profitieren von der strukturierten Einarbeitung und Ausbildung.
Hebammen und Geburtshelfer, Pflegekräfte und Ärzte: Welche Rolle spielt das Team in der Geburtshilfe?
Das Team spielt in der Geburtshilfe eine ganz wesentliche Rolle. Wir können nicht ohne einander arbeiten. Nur als Team können wir gemeinsam eine Patientin unter und nach der Geburt adäquat betreuen. Die Schwangere braucht eben alle Aspekte. Sie braucht die ärztliche Expertise, wenn es risikobehaftet wird bei der Entbindung. Sie braucht aber auch die menschliche Zuwendung und das handwerkliche Geschick der Hebamme oder des Entbindungspflegers. Wir brauchen aber auch die ganz normale Pflege auf der Station, die Stillberaterin, die Reinigungskräfte, die Hygienefachkräfte oder Mitarbeiter, welche die Sterilisation von Instrumenten übernehmen, und viele mehr. All das wirkt zusammen, um die Betreuung von Mutter und Kind wirklich gut zu gestalten.
Die Zusammenarbeit zwischen Klinik und niedergelassenen Gynäkologen ist für die Frauen oft besonders wichtig. Für Sie auch?
Die schwangere Frau bekommt ja in Deutschland in der Regel ihre Mutterschaftsvorsorge von den niedergelassenen Frauenärzten. Das heißt, sie stellt sich dort vierwöchentlich und zum Schwangerschaftsende hin zweiwöchentlich vor, um sich und ihr Baby untersuchen zu lassen. All diese Befunde werden dann im Mutterpass dokumentiert. Wenn sich die Patientin dann zum ersten Mal hier bei uns am Klinikum Lippe vorstellt, sind wir stark darauf angewiesen, dass diese Dokumentation super läuft. Aber es ist eben nur ein Dokument. Häufig gibt es deshalb Fragestellungen, die wir mit einem Telefonat oder im persönlichen Gespräch zwischen Klinik und Praxis klären müssen, um den Bogen zu spannen zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung.
Es ist mir sehr wichtig, dass wir unseren Austausch an Wissen um die Patientin möglichst gut gestalten. Konkret heißt das, dass wir als Klinik den Anspruch haben müssen, gute Arztbriefe und Befunde herauszugeben. Niedergelassene Gynäkologen können sich auch telefonisch oder per E-Mail jederzeit bei uns melden, um Rücksprache zu halten. Ganz besonders liegt mir daran, dass wir sofort, wenn die Patientin die Klinik verlässt, ihre Befunde an den jeweiligen niedergelassenen Kollegen oder die Kollegin versenden, so dass diese aktuell über den Stand der Dinge informiert sind.
Was sagen Sie Frauen, die in den nächsten Wochen entbinden werden mit Blick auf die Pandemie?
Wir wissen, dass es für die Schwangeren gerade in der Corona-Pandemie extrem schwierig ist, in die Klinik zur Entbindung zu gehen. Viele haben einfach Angst, dass sie ihren Partner nicht mitnehmen können und, dass sie alleine sind. Leider ist es auch so, dass wir die Besucherregelung während der Pandemie jetzt extrem einschränken mussten, aber glücklicherweise gibt es für die Schwangeren und Wöchnerinnen Sonderregelungen. Selbstverständlich kann der Partner mitkommen zur Entbindung und die werdende Mutter begleiten. Das ist uns auch sehr wichtig, denn es ist eine emotional sehr beeindruckende Phase im Leben einer Frau und auch im Leben einer Familie. Wir denken, dass wir diese Phase nicht stören dürfen.
Natürlich müssen wir die Schwangeren und auch unser Team schützen. Deshalb gibt es bestimmte Verhaltensmaßregeln, an die wir uns alle halten. Da es super klappt mit den Absprachen, bin ich überzeugt davon, dass wir das auch in der nächsten Zeit weiterhin so handhaben können. Über die jeweils aktuell geltenden Verhaltensmaßregeln wird bei der Geburtsplanung ausführlich berichtet. Schwangere Frauen können dort auch alle Ängste und Fragen in Bezug auf die Geburt oder auch die Besonderheiten der Geburt in der Pandemiezeit äußern.