Unterstützung in der Ernährung von Demenzpatienten erfordert Geduld und Phantasie
Ernährung ist die Beziehung zwischen Essen und Körper. Je nachdem was, wieviel oder wie wenig wir essen und welche Nährstoffe man zu sich nimmt, beeinflusst das Essen Gesundheit, Entwicklung, Körperfunktionen und Wohlbefinden. Bei der Ernährung von Demenzkranken sind sowohl bedarfsgerechte ernährungsphysiologische Aspekte als auch individuelle Bedürfnisse zu beachten. Menge und Zusammensetzung der Nahrung spielen also ebenso eine Rolle wie Vorlieben und Abneigungen. Unterstützung in der Ernährung von Demenzpatienten erfordert Geduld und Phantasie Außerdem können durch gezielte Maßnahmen auch durch die Essensaufnahme Kommunikation gefördert, Selbstachtung erhalten und Erinnerungen gepflegt werden.
Es ist heutzutage ohne Zweifel, dass eine gute und ausgewogene Ernährung einen entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Hierbei kommt es auf die Vielfalt des Essens an, es gibt keine guten und schlechten Lebensmittel. Die Auswahl, Menge und die Kombination der verzehrten Lebensmittel machen die Ernährung zu einer gesunden oder ungesunden. Eine ausgewogene Ernährung beinhaltet den Genuss von Getränken, Obst und Gemüse, Vollkorn- und Vollkornprodukten, Kartoffeln, Milch und Milchprodukten, Fleisch, Fisch und Eiern, Fetten wie Öl und Butter/Margarine. Außerdem werden Kuchen, Kekse, Süßwaren, Knabbergebäck, alkoholische Getränke und Limonaden konsumiert. Die in diesen Lebensmitteln enthaltenen Inhaltsstoffe liefern uns Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate (Energiespender) sowie Essen hält Leib und Seele zusammen Vitamine und Mineralstoffe, die viele Körperfunktionen regeln.
Die Veränderung von Appetit, Ess- und Trinkverhalten demenziell Erkrankter kann zu einer Mangelernährung führen. Diese liegt vor, wenn Nährstoffe nicht in ausreichendem Maße aufgenommen werden. Die Folgen einer Mangelernährung können sein:
- Dehydration
- Verstopfung
- Blutarmut
- Funktionsstörungen von Muskeln und Knochen
- schlechte Wundheilung
- Müdigkeit und Apathie
- Komplikationen nach Operationen
Besondere Essenssituation bei Demenzkranken
Demenz ist eine Erkrankung, die durch Verluste in allen Lebensbereichen geprägt ist. Körperliche und geistige Fähigkeiten gehen langsam verloren. Das beeinflusst auch die Nahrungsaufnahme. Lebensmittel und Getränke werden von den Betroffenen nicht mehr als solche erkannt oder gar als giftig und gefährlich angesehen. Das Essen wird verweigert. Durch die nachlassende Gedächtnisleistung vergessen Demenzpatienten zuweilen, dass und was, wann und wie sie gegessen haben.
Geschmacksveränderungen, zum Beispiel auch durch Medikamente verursacht, beeinträchtigen den Genuss. Süßes wird gerne gegessen, Saures als bitter wahrgenommen. Die teilweise Veränderung des Geschmackssinnes kann zu Appetitmangel und damit verbunden zu einer eingeschränkten Nahrungszufuhr führen. Gefühle wie Hunger und Sättigung gehen verloren, die Motivation zu essen fehlt, oftmals überhaupt der Sinn und die Notwendigkeit des Essens. Schluckstörungen erschweren zusätzlich die Nahrungsaufnahme. Die Bemühungen, sich nicht zu verschlucken, kosten sehr viel Kraft und nehmen die Freude am Essen.
Viele Demenzkranke haben einen starken Bewegungsdrang – tagsüber aber auch nachts, wodurch der Energiebedarf erheblich erhöht sein kann. Sie lassen sich aber leicht ablenken und haben nicht die Ruhe, am Tisch sitzen zu bleiben bis zum Ende der Mahlzeit. Auch der Verlust von Alltagsfähigkeiten wie einkaufen, Mahlzeitenzubereitung, Umgang mit Besteck und das Vergessen von Essensabläufen führt zu immer schwierigerer Nahrungsaufnahme und birgt in sich die Gefahr der Mangelernährung und Austrocknung.
Für einen an Demenz Erkrankten ist eine ausgewogene Ernährung ebenso wichtig wie für Senioren ohne Demenz. Essen ist aber nicht nur ein sachlicher Vorgang sondern bedeutet auch ein Stück Lebensqualität und ist wichtig für das seelische Wohlbefinden. Da Demenzkranke immer mehr die Fähigkeit verlieren, sich verbal zu äußern, ist es hilfreich, deren persönliche Essund Trinkbiografie zu kennen. Wissen über Essens- und Trinkvorlieben, die Lebensgeschichte auf das Essen und Trinken bezogen, machen Reaktionen auf das Essen, Essenssituationen und die Mahlzeitengestaltung nachvollziehbar.

Es kann hilfreich und weiterführend sein, folgende Fragen zu klären:
- Abneigungen und Vorlieben
- Wie war die Essensituation vor der Erkrankung? Wie war der Tag essensmäßig strukturiert? Welche Essensrituale und Tischsitten gab es in der Familie oder auch in der Kindheit?
- Gab es bzw. gibt es verbotene Speisen und / oder solche, die eine besondere Bedeutung in der Familie hatten?
- Gibt es religiöse Gründe für Bevorzugung oder Ablehnung einer Speise?
- Gab es Hungerphasen (Armut, Krieg)?
- Unterstützung der Nahrungsaufnahme für Demenzkranke
Eine angenehme und ruhige Essatmosphäre trägt zum Genuss der Mahlzeiten bei. Der Demenzkranke sollte so lange wie möglich seine Selbständigkeit bewahren. Deshalb sollte Unterstützung beim Essen dosiert, gezielt und unauffällig erfolgen und nur dort, wo sie notwendig ist. Der Tag eines Demenzkranken sollte strukturiert sein, wozu auch das Essen mit festen Mahlzeiten zu bestimmten Uhrzeiten gehört. Da der Appetit eingeschränkt und das Hunger- und Sättigungsgefühl beeinträchtigt sind, ist eine Verteilung des Essens auf viele kleine Mahlzeiten sinnvoll.
Sollte der Energiebedarf durch einen gesteigerten Bewegungsdrang oder Gewichtsabnahme erhöht sein, empfiehlt es sich, kleine „Powerpakete“ zuzubereiten, also kleine Mahlzeiten mit einer hohen Energiedichte. Das wird erreicht durch Anreicherung der Mahlzeiten mit Butter, Öl, Sahne, Nüssen oder Ei und die gezielte Auswahl von Lebensmitteln: Statt fettarmer Milch lieber Vollmilch, statt Magerquark Sahnequark, statt gekochtem Schinken Salami oder Leberwurst, statt Hefeteiggebäck Sahnekuchen oder Rührkuchen wählen.
Um Demenzerkrankte auf all ihren Wegen essenmäßig zu begleiten, bietet sich ein „eat by walking“ – „Essen unterwegs“ an. Die dargebotenen Speisen sollten mundgerecht bereitet sein und mit den Fingern zu erfassen sein. Anlaufstellen, die den Erkrankten innehalten lassen (Fenster mit Aussicht, Bild an der Wand, Pflanzenkübel) können zu einer kleinen Mahlzeit einladen.
Die Anregung aller Sinne kann Demenzkranke in der Nahrungsaufnahme unterstützen. Düfte können den schlafenden Appetit wecken. Die Zubereitung der Speisen vor Ort (gebratener Speck mit Rührei, Waffeln, Kaffee) weckt Erinnerungen und das Essen wird gleichzeitig besser wahrgenommen. Das Auge isst bekanntlich mit: Ein appetitlich angerichtetes Essen wirkt einladend. Lebensmittel mit kräftigen Farben werden leichter wahrgenommen. Der Essplatz, Geschirr und Besteck, Getränke und Essen sollten sich durch farbliche Kontraste voneinander abgrenzen, so dass alles leichter erkennbar ist.
Da der Geschmackssinn beeinträchtigt ist und der süße Geschmack bevorzugt wird, sollte sich das auch in der Speisenzubereitung wiederfinden. Zucker, auch an herzhafte Gerichte gegeben, erzeugt eine ungewöhnliche Geschmacksrichtung, führt aber dazu, dass lieber und mehr gegessen wird. Die Speisen gewinnen geschmacklich durch die Zugabe von Kräutern, die den Betroffenen bekannt sind, wie Petersilie, Schnittlauch, Bohnenkraut, Liebstöckel, Majoran und Rosmarin.
Um das Essen begreifbar zu machen, besteht die Möglichkeit, „Fingerfood“ anzubieten, das mit einem Handgriff aufnehmbar ist. Zuvor müssen jedoch hygienische Vorbehalte und Benimmregeln wie „man isst nicht mit den Fingern“ behutsam ausgeräumt werden. Als Fingerfood eignen sich Gemüseund Obstschnitze, Tomaten und kleine Paprika gefüllt mit Frischkäse, Pfannkuchen, Gemüse im Teigmantel, kleine Pizzen, Speckbrötchen, Blätterteigtaschen, Muffins, kleine Obstkuchen, Rösti-Ecken, Kartoffelspalten, kleine Knödel und Frikadellen, Fleischspießchen oder Käsewürfel. Der Hörsinn wird angesprochen durch knackiges Obst und Gemüse oder die Geräusche, die beim Tisch decken entstehen – Teller- und Besteckklappern.
Sollte der Kau- und Schluckakt gestört sein, hilft das Andicken von Speisen und Getränken mit geschmacksneutralen Dickungsmitteln. Breiige und passierte Speisen können mit Hilfe von Formen, Spritztüllen und Spätzlepressen (Kartoffelbreispaghetti) in eine appetitliche Form gebracht werden.
Auch das Trinken ist ein wichtiges Thema. Eine zu geringe Trinkmenge kann zu Verwirrtheit führen, wodurch die Symptome der Demenz noch verstärkt werden. Da das Trinken oft vergessen wird, ist es notwendig, dass die Pflegenden immer wieder daran erinnern. Die Einrichtung von Trinkstationen zur Selbstbedienung und die Auswahl geeigneter Trinkgefäße (farbige Becher für Wasser oder Tassen mit großen, weich geformten Henkeln, kippsichere Trinkgefäße und Trinkhalme) können helfen. Trinkrituale und Trinksprüche animieren außerdem zum Trinken.
Mit all diesen Maßnahmen können Menschen mit Demenz zum Essen und Trinken animiert und motiviert werden. Sie können sich ihrer Umgebung nicht mehr anpassen, die Umwelt muss sich mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Phantasie an die veränderte Welt der Demenzkranken anpassen, was auch auf die Nahrung zutrifft.