Bienenstich: Nicht nur lecker, fürmanchen gefährlich

Wenn Insektenstiche lebensbedrohlich werden

Die Sonne kommt und mit ihr auch die Zeit der Picknicks und Gartenpartys. Doch Vorsicht! Wer gern im Freien schlemmt, sollte ganz genau hinsehen, bevor er zugreift und zubeißt. Insektenstiche im Mund- und Rachenraum oder eine Insektengiftallergie können lebensbedrohlich sein. Immerhin sterben in Deutschland ungefähr 20 Menschen jährlich durch eine allergische Reaktion auf Insektenstiche.

Insekten sind nützlich, können aber auch sehr unangenehm werden. Wehrt sich eine Biene oder Wespe mit einem Stich, schmerzt es an der betreffenden Hautstelle, Rötungen, Juckreiz und Schwellungen treten auf. Das liegt am Gift, welches das Insekt durch seinen Stachel überträgt, und ist eine normale körperliche Reaktion. Bei über drei Prozent der Deutschen kommt es jedoch durch einen Insektenstich zu einer Überreaktion des Immunsystems, die bis zum Herz-Kreislauf-Versagen führen kann. Sie leiden unter einer sogenannten Insektengiftallergie.

Dr. Maik Brandes ist seit November 2019 Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin am Klinikum Lippe. In seiner Abteilung werden Lungenerkrankungen behandelt, aber auch Patienten mit einer Insektengiftallergie. Er weiß, „Der Stich einer Wespe ist nach aktueller Studienlage am häufigsten Auslöser für eine schwere allergische Reaktion, den sogenannten anaphylaktischen Schock“.

Herr Dr. Brandes, sind Insektenstiche für jeden Menschen gefährlich?

Nein, prinzipiell sind sie das nicht. Insektenstiche sind nur für die Menschen gefährlich, bei denen bereits eine Insektengiftallergie besteht. Diese Allergie muss sich erst entwickeln. Das bedeutet, dass ein anaphylaktischer Schock in der Regel erst eintritt, nachdem der Betroffene mindestens einmal zu einem früheren Zeitpunkt von einem Insekt gestochen wurde und darauf körperlich stark reagiert hat.

Was ist denn überhaupt ein anaphylaktischer Schock?

Als anaphylaktischen Schock bezeichnen wir Mediziner die schwerste allergische Reaktion des Körpers. Der Körper reagiert akut mit verschiedenen Symptomen gleichzeitig auf ein Ereignis, also zum Beispiel den Insektenstich, wenn eine Insektengiftallergie besteht. Patienten berichten dann von Kreislaufbeschwerden, Herzrasen, Atemnot oder kalten Schweißausbrüchen. Wird hier nicht rechtzeitig eingegriffen, kann es zum Tod durch Herz-Kreislauf-Versagen kommen.

Nimmt die Zahl der Insektengiftallergien zu?

Dazu gibt es leider keine belastbaren Zahlen. Einerseits werden die Insekten in Anzahl und Artenvielfalt immer weniger. Gefühlt ist es aber gleichzeitig so, dass der menschliche Körper heute heftiger auf die Stiche von Insekten reagiert. Generell kann man sagen, dass Allergien insgesamt auf dem Vormarsch sind. Die Neigung zu allergischen Reaktionen auf Umwelteinflüsse hat zugenommen. Wissenschaftliche Modelle gehen davon aus, dass es sich dabei um ein Problem unserer heutigen Zivilisation handelt. Zusammenfassen könnte man das so: Das Leben in einer reinlicheren Umgebung lässt heute mehr Allergien zu als früher. Dafür spricht zum Beispiel, dass Dorfkinder weniger Allergien aufweisen als Kinder, die in der Stadt aufwachsen. Das Immunsystem der Dorfkinder reagiert einfach nicht so überschießend – also extrem stark, weil sie schon von klein auf mehr Umwelteinflüssen ausgesetzt sind.

Woran erkenne ich, ob es sich noch um eine normale Reaktion des Körpers oder bereits um eine Insektengiftallergie handelt? Welche Symptome treten auf?

Wenn ich von einem Insekt gestochen werde, ist eine Rötung und eine schmerzhafte Beule an der Einstichstelle sichtbar. Das ist soweit normal. Sollten jedoch weitere Symptome auftreten, die nicht auf den Ort des Stiches begrenzt sind, ist eine umgehende ärztliche Konsultation ratsam. Bricht kalter Schweiß aus, fängt das Herz an zu rasen, kommt es zu Fieber, Blutdruck- oder Kreislaufproblemen, können dies die Anzeichen für eine allergische Reaktion sein.

Die Insektengiftallergie wird dann durch einen Bluttest festgestellt. Dabei ist es wichtig, dass gleich verschiedene Insektengifte getestet werden. Wurde der Betroffene zum Beispiel hinten am Hals gestochen, hat er das Insekt vielleicht gar nicht richtig gesehen. Für die genaue Diagnostik und eventuelle Therapie ist es aber zwingend nötig zu wissen, ob es zum Beispiel eine Biene, Wespe oder Hornisse war.

Was kann und sollte ich tun, wenn ich unter einer Insektengiftallergie leide? Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es am Klinikum Lippe?

Zunächst erhält jeder Patient, der unter einer Allergie leidet, die einen anaphylaktischen Schock hervorrufen kann, ein sogenanntes Notfallset Anaphylaxie. Dieses Set wird vom Facharzt verschrieben und ist in der Apotheke erhältlich. Darin enthalten sind Medikamente in Form einer Spritze, die im Falle eines Insektenstiches die allergische Reaktion lindern sowie Blutdruck und Kreislauf stabilisieren. Wenn eine Insektengiftallergie festgestellt wurde, sollten Betroffene dieses Notfallset immer bei sich führen.

Ebenso griffbereit sollte stets der Notfall-Ausweis sein. Dieser gibt genaue Auskunft über Art und Auslöser der Allergie. Für alle Fragen und die Insektengiftallergie-Diagnostik ist der niedergelassene Allergologe der erste Ansprechpartner. Die Klinik kommt in der Regel erst ins Spiel, wenn eine Insektengiftallergie stationär therapiert werden soll. Meist ist das nicht notwendig, aber es gibt Menschen, deren berufliche Existenz davon abhängt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bäckereifachverkäuferin. Hat sie eine Insektengiftallergie kann sie im Hochsommer, der aktivsten Zeit von Wespen und Bienen, ihren Beruf kaum gefahrlos ausüben. Die Insekten lassen sich nun einmal gern auf Kuchen und Gebäck nieder und reagieren aggressiv, wenn man sie vertreibt.

In so einem Fall kann die Hyposensibilisierungstherapie helfen. Dabei wird Wespen- oder Bienengift unter ärztlicher Kontrolle gespritzt und die Dosis über Wochen hinweg stetig gesteigert. Der Patient bleibt dann immer über Nacht im Krankenhaus. So können wir den Therapieverlauf überwachen und bei Schockreaktionen schnell eingreifen.

Wie gefährlich sind Insektenstiche im Mund- und Rachenraum?

Gerade im Rachenraum ist ein Insektenstich extrem unangenehm, selbst wenn man nicht unter einer Insektengiftallergie leidet. Fliegt zum Beispiel beim Fahrradfahren ein Insekt in den Mund oder Hals und sticht dort zu, sollte der Betroffene vorsichtshalber einen Arzt aufsuchen. Dieser kann bei Bedarf eine vorbeugende Spritze geben, damit der Einstichbereich nicht anschwillt und möglicherweise Atemprobleme bereitet.